Schloss Neufra
Was ist ein Hängegarten?
Die Übersetzung des griechischen Quellenbegriffs kremastos, der hängen und schweben bedeuten kann, mit „Hängegarten“ führt regemäßig zu Missverständnissen. Im Hängegarten hängt nichts, sondern er sitzt – schwebt – auf einer architektonischen Subkonstruktion.
Im strengen Sinn darf es sich dabei weder um eine einfache Terrasse handeln – der Garten muss auf einer bewohnbaren Subkonstruktion errichtet sein – noch sollte er lediglich mit Topfpflanzen oder Blumenkästen begrünt sein. Ein Hängegarten muss zwingend eine Erdbepflanzung aufweisen.
Dachgärten mit Erdbepflanzung stellen so gesehen die kompromissloseste Form des Hängegartens dar. Sowohl für die antike Gartenkultur als auch für die auf ihr aufbauende Architektur- und Gartenliteratur der Renaissance stellen die sagenhaften Gärten von Babylon, die hängenden Gärten der Semiramis, die Urform des Hängegartens dar.
Seit dem 15. Jh. erlebten Hängegärten zuerst in Italien, dann nach Mitteleuropa ausgreifend, eine gewisse Sonderkonjunktur als repräsentative Bauaufgabe, wobei die Grenzen von Hängegärten im engeren Sinne und Terrassengärten verschwammen. Aber auch in der Renaissance blieb der Typus des Hängegartens eine eher seltene Ausnahme der Gartenkunst. Allein der notwendige bauliche Aufwand schreckte ab.
Auch in Süddeutschland gab es im 16. und 17. Jh. vermutlich kein Schloss, das nicht über einen oder mehrere Gärten verfügte. Aber Hänge- oder Terrassengärten kamen bei Grafen, Freiherren oder dem niederen Adel nicht vor und selbst an festlichen Höfen bleiben sie sehr selten. In ganz Europa konnte die Forschung vom späten Mittelalter bis ins 19. Jh. gerade einmal rund 30 Hängegärten ausfindig machen, von denen die meisten heute nicht mehr erhalten sind. Das macht die Einzigartigkeit des Neufrarer Schlossgartens aus.
Er ist nicht nur ein frühes Beispiel eines Hängegartens in Deutschland, sondern auch das älteste erhaltene Exemplar dieser raren Gattung. Die immer wieder als Vergleichsbeispiele genannten Gärten, der Pommeranzengarten der Herzoge von Württemberg in Leonberg oder der Hortus Palatinus der Kurfürsten von der Pfalz, entstanden nicht nur 30 bzw. 40 Jahre später, sondern sind auch lediglich Terrassengärten. Zudem stammen beide von fürstlichen Dynastien mit erheblich mehr finanziellen Mitteln und weitaus höherem Repräsentationsanspruch. In der Welt der deutschen Grafen und Freiherren blieb der Neufraer Garten des Grafen Georg von Helfenstein ein bis heute einzigartiges Ensemble.
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